Tourismus & Hotellerie
Investor Talk mit Ulli Kastner
Digitalisierung ist kein Projekt – es ist eine Haltung
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Ein Gespräch mit profitize-Investor Ulli Kastner über Veränderungsdruck, Unternehmertum und neue Chancen der Digitalisierung in der Hotellerie.

Fast 30 Jahre Branchenerfahrung, leitende Positionen in international tätigen Hotel- und Travel-Tech-Unternehmen, die Metasuche-Plattform myhotelshop für Hotels aufgebaut, heute aktiver Investor – Ulli Kastner kennt die Branche von innen. Im Interview spricht er über Lernkurven, Scheitermomente, träge Systeme und warum Technologie allein nichts bewirkt, wenn das Mindset fehlt.
Ulli, du warst lange in der operativen Hotellerie tätig, bevor du Unternehmer wurdest. Gab es einen Moment, der dich auf diesen Weg gebracht hat?
Das war kein „Jetzt ändere ich alles“-Moment. Eher ein schleichender Prozess. Ich war in guten Positionen, habe Verantwortung getragen, Teams geführt. Und irgendwann dachte ich: Wenn das, was ich tue, wirtschaftlich funktioniert – warum soll ich das nicht selbst gestalten?
Und dann der Wechsel raus aus großen Hotelkonzernen?
Ja, aber das war kein Schritt aus Frust, sondern einer aus Überzeugung. Ich wollte nicht mehr in Strukturen arbeiten, die ich nicht beeinflussen kann. Ich habe gesehen, dass das Thema Direktvertrieb im Hotelbereich noch völlig unterentwickelt war. Und ich hatte die Vorstellung, dass man das besser machen kann – mit dem richtigen Ansatz.
Was hat dich in deiner Gründerzeit besonders geprägt?
Die Krisen. Wir standen mehr als einmal vor dem Aus. Corona war nur eine davon. Aber es gab auch vorher Phasen, in denen ich dachte: Das war’s jetzt. Wenn du das einmal durchstehst, verstehst du, was es heißt, Verantwortung zu tragen – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für die Menschen, mit denen du arbeitest. Du kannst hinten liegen, aber solange du spielst, hast du eine Chance. Diese Haltung war mir immer wichtig. Gerade wenn du Verantwortung trägst. Aufgeben ist keine Option – zumindest nicht, bevor du alles probiert hast.
Heute investierst du in Hotel-Tech. Was muss ein Produkt mitbringen, um dich zu überzeugen?
Es muss ein echtes Problem lösen – und zwar so, dass es im Alltag eines Hoteliers funktioniert. Nicht mit fancy Features, sondern mit Klarheit. Und es braucht ein Team, das wirklich versteht, worum es geht. Wer in dieser Branche was verändern will, muss wissen, wie ein Tag im Hotel aussieht – mit Frühstück, Check-in, Housekeeping und Onlinebewertungen, alles gleichzeitig.
Was war dein Eindruck bei profitize?
Da war sofort klar: Hier wird ein echter Pain Point adressiert. Viele Hotels hantieren mit isolierten Zahlen aus PMS, POS, Bank oder HR – ohne ein Gesamtbild. profitize bringt diese Daten systematisch zusammen, schafft Struktur und ermöglicht dadurch fundierte Finanzanalysen und Planungen. Die Ergebnisse sind verständlich aufbereitet – nicht nur für CFOs, sondern auch für Hotelmanager, die operativ stark eingebunden sind.
Trotzdem tun sich viele in der Hotellerie schwer mit Digitalisierung. Warum?
Weil der Alltag sie auffrisst. Die meisten Eigentümer oder Geschäftsführer führen ihren Betrieb sehr operativ. Und dann sollst du auch noch Digitalstrategie, E-Commerce und Forecasting machen. Das funktioniert nicht. Oft fehlt auch das betriebswirtschaftliche Grundverständnis. An Hotelfachschulen wird selten das gelehrt, was heute relevant ist.
Du sprichst da von einer Art strukturellem Rückstand?
Absolut. Wir diskutieren 2025 noch über Themen, die ich 2006 bei Trainings in Hotels hatte. Warum brauche ich eine eigene Website? Warum nicht alles über Booking verkaufen? Das zeigt doch, wie tief wir im Erklärungsmodus stecken – obwohl sich Technologie und Gästeverhalten längst verändert haben.
Und die Lösung?
Man muss anfangen. Nicht perfekt, nicht vollumfänglich. Aber konkret. Wer auf ein großes Transformationsprojekt wartet, startet nie. Digitalisierung ist kein Zustand – sie muss im Alltag verankert und weiterentwickelt werden. Und es ist besser, mit einem kleinen, funktionierenden Tool anzufangen als mit keiner Entscheidung.
Ein Thema, das du häufig betonst, ist Unternehmenskultur.
Weil es der Kern von allem ist. Wenn die Leute nicht gerne arbeiten, kannst du dir jedes Tool sparen. Bei meinem Start-up myhotelshop war „Happiness“ der wichtigste Company Value. Nicht als Marketingfloskel, sondern weil ich wusste: Menschen, die sich gesehen fühlen, leisten mehr – und bleiben. Ich kenne die Eltern meiner früheren Mitarbeitenden, deren Kinder. Das ist für mich das eigentlich Wertvolle an Unternehmertum: Beziehungen, die über das Berufliche hinausgehen und bleiben.
Was gibst du jungen Gründer*innen mit, die sich in die Hotellerie oder Tech-Welt wagen wollen?
Versteht euer Problem besser als jeder andere. Sprecht mit echten Usern. Und bleibt dran – auch wenn’s hart wird. Es ist nie vorbei, bevor nicht abgepfiffen wird. Und das gilt auch für Startups.
Und was wünschst du dir für die Hotelbranche?
Dass wir unsere Lernkurve ernst nehmen. Dass wir Weiterbildung nicht outsourcen, sondern zur Chefsache machen. Und dass wir Technologien nicht als Selbstzweck begreifen, sondern als Werkzeug, um wieder mehr Zeit für das Wesentliche zu gewinnen: den Gast, das Team, die Idee vom guten Gastgebersein.
Vielen Dank für das Gespräch, Ulli.
Zur Person – Ulli Kastner
Ulli Kastner ist Unternehmer und Investor. Nach Führungsrollen bei Accor, Hilton, Starwood, TripAdvisor und trivago gründete er 2012 myhotelshop, eine Plattform zur Steuerung von Metasuche für Hotels – heute Teil von RateGain. Er engagiert sich als Investor in Hotel-Tech-Unternehmen, darunter auch die Finanzanalyse-Plattform profitize.
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